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aus dem Schwarzwälder Boten vom 22.12.2015
Ein
ganz anderes Weihnachtsoratorium
Von Martin Bernklau
Eher selten zu hören ist Heinrich von Herzogenbergs Weihnachtsoratorium.
Die Nagolder Stadtkirche war dennoch restlos gefüllt.
Nagold. Populär, das bedeutet im schönsten Fall dann auch: eine
überfüllte Nagolder Stadtkirche am frühen Abend des Vierten
Advent. Heinrich von Herzogenbergs ganz anderes Weihnachtsoratorium "Die
Geburt Christi" ist eine
Entdeckung von Kantorin Eva-Magdalena Ammer, für die sie alles und
noch viel mehr aufrief, was Kantorei und Kantatenorchester aufzubieten
haben.
Über Werk und Wirken des adeligen Brahms-Freundes und Bach-Verehrers
aus Graz ging die Zeit dann allmählich hinweg. In der hochromantischen
Epoche gut vernetzt im deutschen Musikleben, gelang es ihm kaum, Zeitloses
zu
schaffen. Zu diesem Oratorium überredete ihn im Sommer 1894
fürs Verfassen eines Textes im Gegenzug sein enger Freund
und Besucher im Appenzeller Landhaus, der Straßburger Theologieprofessor
Friedrich Spitta, Bruder des berühmten Bach-Biografen. Dessen Maßgabe
war "ein mit den einfachsten Mitteln ausführbares Werk".
Einen Streichersatz und eine Oboe als höchstes der weihnachtlichen
Gefühle ließ er sich vom Komponisten noch abringen.
Ansonsten: Chor und Kinderchor, vier leichte Solostimmen, Orgel, auch
Gemeindegesang und ein Harmonium. Herzogenberg lieferte, rechtzeitig
bis Weihnachten.
"Ein mit einfachsten Mitteln ausführbares Werk".
Den Kern der Musik bilden volkstümliche Weihnachtslieder und Choralmelodien.
Mit brausend vollem Orgelwerk durfte Jonathan Ehrmann improvisierend auf
"Vom Himmel hoch" einstimmen. Schon in der zweiten Nummer zu
verheißungsvollen Psalm-Worten brachte Herzogenberg einen ersten
wundervollen Klangeffekt unter: aus Streicherklängen und klaren Chorlinien
schälte sich ein Männerquartett heraus, alles stimmlich sehr
fein und rein intoniert.
Als erster Gesangssolist ging dann der eher hell gefärbte Bassist
Michael Roman in Zweisprache mit dem Chor. Sein Timbre übrigens war
ganz genau auf die anderen Solo-Charaktere abgestimmt, die engelsreine
Sopranistin Sophie
Bareis, auf Johanna Rademacher mit ihrem sanften Alt und den sehr dicht
phrasierenden Tenor David Fischer, der seiner Evangelisten-Rolle auch
mal, mit viel Geschmack, etwas Heroldhaftes abgewinnen durfte. Und dann
war da das
Harmonium, das fortan die begleitende Generalbass-Rolle zu übernehmen
hatte. Vielleicht hätte Burkhard Pflomm den so schnell zu Quetschkommode
und Jahrmarkt hin kippenden Klang dieser Hausorgel öfter dezent zurücknehmen
können. Vielleicht hätte man ihm den edleren Ton eines kleinen
Orgelpositivs gönnen sollen. Herzogenberg und Spitta habe das wohl
ausdrücklich erlaubt.
Zuhörer stimmten in die Gemeindechoräle immer unbefangener ein
Als Achse des dreiteiligen Stücks stellte Dirigentin Eva-Magdalena
Ammer das mittelalterlich-kirchliche Volkslied "Es ist ein Ros
entsprungen" mit besonders sorgsamer Klanggebung in die Mitte. Solche
berückend schönen Töne brachte
auch ein "Chor der Engel" ein, speziell aber auch die Stimmen
des Jugend- und Kinderchors. Herzogenbergs Sonderwunsch tat im dritten,
dem "Anbetungs"-Abschnitt, nach der Hirtenmusik im Geiste der
Vorbilder Bach und Händel, auf sensibelste, ja zuweilen geradezu
betörende Weise der Oboist Christoph Teßmar genüge.
Viele von solch wunderhübschen Passagen deckten auch zu, dass Herzogenbergs
Bemühen um Schlichtheit und volkstümliche Verständlichkeit
der ehrwürdigen musikalischen Formen zuweilen ermüdend wirkt.
Das Schema eines oft einstimmig vorgestellten Themas mit ein paar folgenden
Andeutungen von Fugenstil und konzertantem Wechsel von Solo und Tutti
hätte ein paar Varianten oder eine etwas knappere Ausführung
vertragen.
Die Wirkung dieses ganz anderen Oratoriums störte das kaum. In die
Gemeindechoräle stimmten die Zuhörer in der überfüllten
Stadtkirche immer unbefangener ein. Und am Ende gab es weihnachtlich rauschenden
Applaus.
Pressebericht Weihnachtsoratorium in der
Evangelischen Stadtkirche Nagold vom 20.12.2015
Von Rafael Hummel
Zum Bersten voll war die Evangelische Stadtkirche Nagold an diesem vierten
Advent.
Das Weihnachtsoratorium des Komponisten Heinrich von Herzogenberg wurde
von der Kantorei, dem Kantatenorchester sowie weiteren Mitwirkenden unter
der Leitung von KMD Eva-Magdalena Ammer aufgeführt. So richtig weihnachtliche
Stimmung herrschte am Sonntag in Nagold eigentlich nicht. Draußen
war das Wetter geradezu frühlingshaft. Die Besinnlichkeit kam, als
Ammer den Einsatz gab und die ersten Töne des Weinachtsoratoriums
die Kirche füllten.
Das Werk trägt den Namen Die Geburt Christi und setzt
sich aus Gemeindechorälen mit Orgelbegleitung, größeren
und kleineren Chorsätzen, Solostücken, die zumeist ein Solistenensemble
beschäftigen, sowie dem Part des Evangelisten (Tenor) zusammen. Dieser
ist wie auch im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach
der Erzähler der durch die Handlung führt. Von der Verheißung
über die Erfüllung, der eigentlichen Geburt, schreitet
die Handlung zur Anbetung durch Engel und Hirten fort. Textgrundlage
bilden Psalme sowie die Weihnachtsgeschichte, zumindest größtenteils
aus dem Evangelium nach Lukas. In den Choral- und Chorsätzen sind
einige damals und heute geläufige
Weihnachtslieder aufgenommen und verarbeitet.
Ja, von Herzogenberg fügte einige Choräle ein, die jedem sofort
bekannt vorkommen mussten: So beginnt das Oratorium, um nur ein Beispiel
zu nennen, mit der Melodie des wohlbekannten Weihnachtsliedes Vom
Himmel hoch. Bei diesen Teilen war das Publikum eingeladen, mitzusingen.
Ammers Interpretation des Werks, und die Arbeit mit den zahlreichen Ausführenden
(Kantorei, Kinder- und, Jugendchor, Kantatenorchester sowie Solisten)
war äußerst gelungen. Die Kantorei sang kräftig und selbstbewusst,
bewies Feingefühl an den leiseren, zarteren Stellen und akzentuierte
gekonnt.
Beim Chor der Kinder glänzten die jüngeren Sänger
aus Kinder- und Jugendchor. Souverän gaben sie einen drei Strophen
langen Abschnitt zum Besten.
An der Orgel hörte man Jonathan Ehrmann. Er entlockte dem Instrument
gewaltige Klänge. Je nachdem wo man sich in der Kirche befand, empfand
man die Orgel mitunter zu vordergründig und sie übertönte
die Sänger. Dennoch war sein Spiel sicher und professionell.
Wie nicht anders gewohnt, spielte das Nagolder Kantatenorchester wiederum
sehr gut. Traditionell besteht es aus Profimusikern und Halbprofis, die
einerseits die Sänger Chor wie Solisten feinfühlig
begleiten, es anderseits auch verstehen, selbst solistisch in den Vordergrund
zu treten. Besonders hervorgehoben seien dabei die allesamt bestens dargebotenen
Soloparts von Christoph Teßmar (Oboe), Margarete Hummel (Violine),
Burkhard Pflomm (Harmonium) und Dagmar Köbele (Cello).
Zuletzt waren da noch die vier Solisten Sophie Bareis (Sopran), Johanna
Rademacher (Alt), Michael Roman (Bass) und David Fischer (Tenor). Ihnen
zuzuhören war ein Genuss, ob im Ensemble oder einzeln. Mit ihren
imposanten Stimmen füllten sie die Kirche und brillierten. Ganz besonders
hervorzuheben ist der exzellente Tenor. Fischer hatte mit Abstand die
meisten Einsätze und überzeugte auf ganzer Linie.
Insgesamt war das Konzert ein voller Erfolg, den besonders Eva-Magdalena
Ammer aber auch jeder der Mitwirkenden für sich verbuchen darf. Freilich
war es auch ein würdiger Auftakt für das Weihnachtsfest.
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