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aus dem Schwarzwälder Boten vom 24.12.2012
Genuss
und wunderbare Bescherung zugleich
Kantorei,
Jugendchor und Instrumentalisten begeistern mit zwei modernen Werken
Von Maria Kosowska-Németh
Nagold. Das letzte vorweihnachtliche Konzert in der Stadtkirche war ein
wahrer Musikgenuss und wunderbare Bescherung zugleich. Eine imposante
Schar von Sängern und Instrumentalisten schenkte den zahlreichen
Zuhörern einen musikalischen Vesperabend. an dem sich der Evensong
(ein gesungener Abendgottesdienst) in einen großkalibrigen Song-Event
steigerte und im lang anhaltenden Beifall-Dauerfeuer gipfelte.
Auf dem Programm standen zwei große zeitgenössische Werke für
nicht tagtägliche Besetzung. Den gemischten Chor (Kantorei, Jugend-
und Kinderchor der Stadtkirche Nagold) begleiteten Blechbläser- und
Schlagzeugensembles sowie Orgel und Klavier. Diese komplizierte Aufführungsmaschinerie
unter der Leitung der Kirchenmusikdirektorin Eva-Magdalena Ammer funktionierte
störungsfrei auf höchstem technischen und musikalischen Niveau.
Von der Nebenempore her sorgte Peter Ammer für den synchronen Musikablauf
zwischen der Orgel (Urs Bicheler) und dem restlichen Klangkörper.
Begleitet von gewaltigen Paukenschlägen läutete die triumphale
Bläserfanfare das vierteilige Psalmkonzert von Gunther M. Göttsche
ein, das sich bald als Beispiel für erstklassige Unterhaltungsmusik
erwies. Trotz ihres geistigen Textcharakters wirkte diese Musik keinesfalls
schwermütig, eher streichelte sie Ohren durch originelle Harmonie
und farbige Instrumentierung und machte auch den Darstellern sichtbare
interpretatorische Freude.
Die wackeren Stimmen des ausgezeichneten Kinderchores und der Sopranistin
Julia Aichelin erreichten dank der akkuraten, dynamischen und strukturellen
Führungstransparenz das gesamte Kirchenschiff.
»Salisbury Vespers« vom Engländer Bob Chilcott rief in
Nagold einen tosenden Applaus hervor und zwar nicht nur als deutsche Erstaufführung.
Vielmehr schien das vokal-instrumentale Werk wie maßgeschneidert
dem Profil des Kantorei-Chores zu entsprechen, um dessen reiches Gesangspotenzial
bestätigen zu können. In a capella Abschnitten wanderten die
Frauen- und Männerstimmen souverän durch ungewöhnliche
Harmoniemäander, die Freude an erfüllten rhythmischen Herausforderungen
vermischte sich mit dem berechtigten Stolz.
Die elementare, beinahe hemmungslose Gesangs- und Schlagwerkkraft bildete
scharfen Kontrast zu poetischen Chordialogen und Orgel-Intermezzi in dezenten
Farbnuancen. Ein wunderschönes, modernes und doch kein implizit extravagantes
Musikstück für die Menschen. die sich laut Programmheft »auf
das Geschenk eines neuen Tages besinnen« möchten.
Originalkritik
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