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aus dem Schwarzwälder Boten vom 24.3.1998
Kantorei
überzeugt mit kräftigem Gesamtklang
Eindrücklicher
Beginn der Heinrich-Schütz-Tage in Nagold / Hörer beeindruckt
vom Motettenabend
Nagold. Die von Kirchenmusikdirektor Ingo Bredenbach initiierten
und organisierten Heinrich-Schütz-Tage wurden am Sonntag mit einem
Festgottesdienst eröffnet, der durch die gleichzeitige Goldene Konfirmation
des Nagolder Jahrganges 1948 ein besonderes Gepräge erhielt. Die
Predigt von Dekan Becker wurde durch den Evangelischen Kinderchor umrahmt,
der einige der Kleinen geistlichen Konzerte von Heinrich Schütz (Bringt
her dem Herrn, Lobet den Herren, Mein Herz ist bereit) sang. Assistiert
wurde der Chor durch die Geigen von Beate Bredenbach und Dietrich Fischer,
die noch zusätzlich die Symphoniae in g und d musizierten.
Der Abend brachte dann das große Chorkonzert der Evangelischen Kantorei
in der Stadtkirche unter Ingo Bredenbach mit 13 Motetten aus der "Geistlichen
Chormusik 1648", die Heinrich Schütz, der 100 Jahre vor J.S.Bach
geboren wurde, während der unsäglichen Wirren und Nöte
des dreißigjährigen Krieges schrieb und 1648 Im Druck erscheinen
ließ. Dass die Nagolder Kantorei eine solch große Zahl Schützscher
Motetten an einem Abend so eindrücklich vorstellen konnte, ist eine
lobenswerte Leistung seltenen Ausmaßes.
Diese Chormusik von Schütz ist in vieler Hinsicht einzigartig, Sie
strahlt Ruhe, innere Ausgeglichenheit und Zuversicht aus. Ihre harmonischen
Grundstrukturen sind so folgerichtig aufgebaut, dass jeder Hörer
selbst in unserer Zeit innerlich angesprochen, ja bewegt wird. Der geistliche
Text, der bei Schütz immer im Vordergrund steht, wird mit der Musik
meisterhaft verbunden. Klarheit der Musik, Bescheidenheit der musikalischen
Ausdrucksmittel und eingestreute feingliedrige Untermalungen sind unnachahmliche
Kennzeichen der Schützschen Chormusik.
Die Kantorei überzeugte dort am besten, wo der Chor sich zum kräftigen
Gesamtklang zusammenfindet und Vielstimmigkeit sich in einer vertikalen
Gleichzeitigkeit der Stimmen verdichtet. Schütz schreibt ja keine
Fugen. Die Chorstimmen laufen meist in kurzen Abständen hintereinander
her, unterbrochen von sehr schnellen und zarten Figuren. Der Klang der
Kantorei, an diesem Abend meist kräftig, ist offen, strahlend und
in der Intonation sicher und sauber. Die staunenswerte Größe
des Chores bedingte Abstriche bei der Exaktheit der vielstirnmigen Einsätze
und im dynamischen Ablauf.
In das Programm eingestreut waren weltliche und geistliche Texte von Gryphius,
Grimmelshausen, Fleming, Paul Gerhardt u.a., eindrücklich rezitiert
von Herbert Gückel. Die Auswahl der Texte ließ eingehende literarische
Kenntnisse vermuten. Pessimistische und weltverachtende Verse wandelten
sich zum Schluss hin in geistlich getroste und zuversichtliche Worte.
Der von Ingo Bredenbach unter erheblichem Aufwand vorbereitete Motettenabend
der Kantorei hatte einen großen und staunenswerten Zuschnitt. Die
Hörer, sichtlich beeindruckt von Chor und Musik, spendeten kräftigen
und langen Beifall.
Ulrich Eißler
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